Konstituierende Sitzungen sind normalerweise unspektakuläre Termine. Man kommt zusammen, wählt den Landtagspräsidenten, klopft sich auf die Schultern, geht nach Hause. Nicht so am Donnerstag im Thüringer Landtag. Hier stand zwar auch die Wahl des Landtagspräsidenten auf dem Plan, doch was sich abspielte, war eher eine politische Schlammschlacht als Routine.
Die AfD will den Präsidenten – alle anderen blocken
Eigentlich schien alles klar: Die AfD stellt die größte Fraktion, also sollte sie nach alter Tradition auch den Landtagspräsidenten stellen. So läuft das normalerweise. Doch an diesem Tag ist nichts normal.
Die AfD hat Wiebke Muhsal vorgeschlagen, eine Abgeordnete, die in der Vergangenheit wegen Betrugs verurteilt wurde. Das passt den anderen Parteien überhaupt nicht. CDU, SPD, die Wagenknecht-Fraktion und die Linke lehnen sie geschlossen ab.
Der Alterspräsident Jürgen Treutler, ebenfalls AfD, sieht das anders. Und als er die Sitzung eröffnet, macht er eines sofort klar: Hier wird nicht nach den Regeln der anderen gespielt. Statt einfach die Tagesordnung abzuarbeiten, hält er eine politische Rede – eine, die man in diesem Rahmen eher nicht erwartet.
„Mediale Eliten“, die das Volk verachten, Demokratie in der Krise – das übliche AfD-Vokabular. Während die anderen Parteien fassungslos zuhören, applaudiert nur die AfD.
Streit um die Geschäftsordnung – und das Mikrofon
Die anderen Fraktionen geben sich aber nicht so schnell geschlagen. Sie wollen die Geschäftsordnung ändern, bevor ein Präsident gewählt wird. Nicht nur die AfD soll jemanden vorschlagen dürfen.
Die CDU hat einen eigenen Kandidaten: Thadäus König. Doch Alterspräsident Treutler weigert sich. Er blockt jede Abstimmung und lässt es lieber fünfmal zur Unterbrechung der Sitzung kommen, als der Mehrheit nachzugeben.
Die Stimmung heizt sich auf. Immer wieder unterbricht Treutler die Sitzung, um zu verhindern, dass irgendetwas beschlossen wird. Abgeordnete rufen ihm zu, werfen ihm Verfassungsbruch vor. „Was Sie hier tun, ist Machtergreifung!“, schallt es aus den Reihen der CDU. Doch Treutler bleibt stur, entzieht Rednern das Wort und weigert sich, die Mikrofone freizugeben. Chaos pur.
Das Verfassungsgericht soll’s richten
Irgendwann reicht es der CDU. Sie kündigt an, den Thüringer Verfassungsgerichtshof anzurufen. Treutler, so die Argumentation, missachte die Rechte der Abgeordneten und breche die Verfassung. In der Zwischenzeit beobachtet der Präsident des Verfassungsgerichtshofs das ganze Spektakel von der Tribüne – als ob er auf diesen Moment gewartet hätte.
Die AfD hingegen gibt sich unbeeindruckt. Sie will durchziehen, was sie sich vorgenommen hat: den Landtagspräsidenten stellen, egal wie groß der Widerstand ist. Und je länger der Streit dauert, desto mehr wird klar, dass es hier nicht nur um einen Posten geht, sondern um den Versuch der AfD, das Parlament nach ihren Regeln zu formen.
Und jetzt?
Die Verfassungskrise ist perfekt, und wie es weitergeht, entscheidet nun das Gericht. Bis Samstagmorgen soll es ein Urteil geben. Klar ist nur: Der Tag in Erfurt hat gezeigt, wie es aussieht, wenn die AfD einmal das Heft in der Hand hat. Die anderen Fraktionen stehen vor einem Dilemma: Entweder sie beugen sich der AfD – oder es geht weiter im politischen Stillstand.
Was bleibt, ist die Frage: Wie lange lässt sich das Land das noch gefallen?