Der Deal – gut genug für Aktionäre?
Seit dem Übernahmeangebot des arabischen Ölriesen Adnoc für Covestro steht die Investmentwelt vor der Frage: Lohnt es sich, die 62 Euro pro Aktie anzunehmen? Trotz mehrfacher Nachbesserung bleibt der Deal umstritten. Für einige Aktionäre, die den Spekulationsaufschlag der letzten Monate eingepreist haben, mag der Preis ernüchternd wirken.
Doch bezogen auf den Juni-Kurs von 40 Euro bietet Adnoc eine saftige Prämie von über 50 Prozent. Branchenexperten wie Frederik Beckendorff von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitzer (DSW) erkennen darin eine solide Basis – jedoch weniger als erhofft.
Kein Aufwärtspotenzial für Covestro?
In der Analyse fällt auf: Die Aktie wurde von Übernahmespekulationen kräftig nach oben getrieben. Fachleute wie Analyst Peter Spengler von der DZ Bank raten zur Annahme und senkten ihre Kaufempfehlungen.
Das Übernahmeangebot gilt inzwischen als fair – immerhin haben niedrige Verkaufspreise Covestro’s Gewinnmargen ausgehöhlt und das Unternehmen zu einer Dividendenkürzung gezwungen. Doch in Hochzeiten notierte Covestro weit über 90 Euro – die heute schmerzlich weit entfernt sind.
Zukunftsaussichten: Ein klares „Vielleicht“
Aktionäre haben bis zum 27. November Zeit, ihre Entscheidung zu treffen. Sollte Adnoc das Angebot noch einmal erhöhen, verschiebt sich die Frist bis Mitte Dezember. Bislang deutet jedoch wenig darauf hin.
Ein späteres Aufstocken könnte eintreten, falls Großaktionäre Druck ausüben – doch das bisherige Verhalten von Union Investment und weiteren Fonds zeigt Akzeptanz. Der Kurs, der mit rund 58 Euro unter dem Angebotspreis steht, signalisiert das Gleiche: Die Spekulation auf höhere Preise bleibt gering.
Politik, Genehmigungen und Risiken
Eine entscheidende Hürde bleibt die behördliche Genehmigung, trotz grundsätzlicher Zustimmung von Covestro. Adnoc benötigt die Mehrheit, hält aber bereits zehn Prozent der Anteile.
Im Falle eines erfolgreichen Deals erwartet das Bankhaus Metzler erst in der zweiten Jahreshälfte 2025 einen Abschluss. Analyst Thomas Schulte-Vorwick rechnet zwar nicht mit großen Hindernissen, jedoch bremst die lange Frist den Kursanstieg.
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Deutsche Regulierer, wenn auch kritisch, haben mit Adnoc einen verlässlichen Partner, wodurch größere Eingriffe unwahrscheinlich scheinen.
Langfristige Risiken – und das Szenario eines Squeeze-Outs
Wer das Angebot ablehnt und auf die Fortführung als börsennotierte AG spekuliert, könnte enttäuscht werden: Zwar wird Covestro in den nächsten Jahren eine Aktiengesellschaft bleiben, doch die Gefahr eines späteren Delistings bleibt. Sollte Adnoc langfristig den Börsenabgang anstreben, droht ein sogenannter „Squeeze-Out“ – die Übernahme aller Aktien gegen Zwangsabfindung.
Die DSW fordert deshalb mehr Schutz für Minderheitsaktionäre. Die Sorge um eine mögliche Entwertung von Anteilen ist real, wie es Beispiele von ehemaligen DAX-Konzernen zeigen.
Ein Balanceakt für Investoren
Obwohl das Angebot viele Fragen aufwirft, bleibt es angesichts der Marktbedingungen eine solide Option. Ohne klare Hürden bleibt die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Übernahme durch Adnoc hoch.
Doch Covestro-Aktionäre müssen abwägen: Ein zu spätes Abwarten könnte im Nachhinein den Preis senken. Wer auf langfristige Kursgewinne setzt, sollte die Kursentwicklung im Blick behalten – der Erfolg oder Misserfolg der Übernahme könnte sich noch als Wendepunkt im Aktienverlauf entpuppen.