Deutschland blockiert sich selbst
Seit Jahren wird in Deutschland über die Abschiebung krimineller Asylbewerber diskutiert – insbesondere nach schweren Gewalttaten wie der Messerattacke in Mannheim. Doch während andere europäische Länder bereits Lösungen gefunden haben, bleibt Deutschland zögerlich.
Der Grund? Eine bewusste politische Entscheidung, die Taliban-Regierung in Kabul nicht offiziell anzuerkennen und somit Abschiebungen unmöglich zu machen.
Doch interne Dokumente zeigen: Es gibt sehr wohl Kanäle zu den Machthabern in Afghanistan. Die Bundesregierung steht mit dem Taliban-Verbindungsbüro in Doha in regelmäßigem Kontakt.
Dennoch ist es seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 nur ein einziger Abschiebeflug nach Afghanistan gelungen – mit gerade einmal 28 Rückführungen.
Die Diskrepanz zwischen politischem Handeln und öffentlicher Rhetorik sorgt für wachsende Kritik. Besonders Österreich macht vor, dass es anders geht: Wien hat in den letzten Monaten intensiv mit den Taliban verhandelt, um Abschiebungen durchzusetzen. Deutschland hingegen blockiert entsprechende Initiativen auf EU-Ebene und tritt in Brüssel als Bremser auf.
Baerbocks Dilemma: Menschenrechte vs. Sicherheitsinteressen
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) steht dabei besonders in der Kritik. Sie argumentiert, dass Verhandlungen mit den Taliban nicht möglich seien, weil das Regime in Kabul keine Menschenrechte respektiere. Tatsächlich hat die Bundesregierung die Zusammenarbeit mit Afghanistan auf humanitäre Hilfe beschränkt.
Gleichzeitig sprechen Regierungsquellen von „technischen Gesprächen“, die auf niedriger Ebene geführt werden – ein offenes Geheimnis, das die offizielle Haltung der Regierung fragwürdig erscheinen lässt.
Doch es gibt auch politische Gründe für die deutsche Zurückhaltung. Die Ampelkoalition ist intern tief gespalten: Während Teile der SPD und FDP für eine pragmatische Lösung plädieren, hält Baerbocks Ministerium strikt an der Linie fest, die Taliban nicht zu legitimieren.
Als die Taliban Deutschland um Zusammenarbeit baten
Die aktuelle Situation hätte allerdings auch anders aussehen können. Bereits im Mai 2021, also drei Monate vor der Machtübernahme, suchten Vertreter der Taliban das Gespräch mit deutschen Diplomaten.
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In internen Protokollen ist von „freundlichen Worten“ und einem Angebot zur Kooperation die Rede. Die Islamisten signalisierten, dass sie an einer Zusammenarbeit mit Deutschland interessiert seien – auch in Sicherheitsfragen.
Nach dem Fall Kabuls war Deutschland zunächst gesprächsbereit. Der damalige Außenminister Heiko Maas (SPD) ließ durchblicken, dass eine diplomatische Präsenz vor Ort denkbar wäre – unter der Bedingung, dass die Taliban eine „inklusive Regierung“ bilden. Doch diese Überlegungen wurden innerhalb der Bundesregierung schnell verworfen.
Kanzlerin Angela Merkel zeigte sich intern zwar pragmatisch, doch ihr eigener Apparat blockierte die Pläne. Das Auswärtige Amt unter Baerbock verfestigte diese Haltung endgültig: Solange sich die Taliban nicht an internationale Menschenrechtsstandards hielten, gebe es keine Annäherung.
Symbolpolitik oder Sicherheitsstrategie?
Nach der Bluttat von Aschaffenburg kündigte die Bundesregierung an, erneut kriminelle Straftäter nach Afghanistan auszufliegen. Die Maßnahme soll „zeitnah“ umgesetzt werden – doch wie glaubwürdig ist diese Ankündigung?
Ein internes Dokument aus Bayern legt nahe, dass der Flug am 22. Februar stattfinden soll – also einen Tag vor der Bundestagswahl. Kritiker sprechen von einem rein symbolischen Akt, der vor allem als Wahlkampfstrategie dient. Denn solange Deutschland sich weigert, mit den Taliban eine verlässliche Rückführungsregelung zu verhandeln, bleibt jede Abschiebung ein Einzelfall.
Während Österreich, Großbritannien und andere EU-Staaten längst an operativen Lösungen arbeiten, steckt Deutschland in einem politischen Dilemma. Die Weichen dafür wurden bereits vor Jahren gestellt – und solange sich daran nichts ändert, werden Abschiebungen nach Afghanistan eine Ausnahme bleiben.
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