Abschiebechaos: Vergewaltiger aus Ghana geht trotz Urteil frei
Ein verurteilter Vergewaltiger aus Ghana, der eigentlich abgeschoben werden sollte, geht plötzlich wieder frei – nicht etwa, weil sein Urteil revidiert wurde, sondern weil kein Haftplatz verfügbar ist.

Politik

Abschiebechaos: Vergewaltiger aus Ghana geht trotz Urteil frei

Trotz eines gültigen Abschiebebefehls und eines laufenden Verfahrens fanden die Behörden keinen Platz in der Haft – und setzten den Mann einfach auf freien Fuß.

Ein verurteilter Vergewaltiger aus Ghana wurde überraschend freigelassen – nicht etwa aus Mangel an Beweisen, sondern weil kein Platz in der Abschiebehaft verfügbar war.

Die Empörung im nordrhein-westfälischen Landtag ist groß, denn der Fall wirft grundlegende Fragen über das deutsche Abschiebesystem und das Versagen der Behörden auf. Wie konnte es dazu kommen, dass ein gefährlicher Straftäter trotz Abschiebebeschlusses wieder auf freiem Fuß ist?

Der Fall: Vergewaltigung und Flucht

Der 34-jährige Ghanaer, der in Deutschland einen Asylantrag gestellt hatte, vergewaltigte im Jahr 2018 eine damals 16-jährige Jugendliche in Mülheim. Der Angriff ereignete sich im Schlaf des Mädchens, die von dem Mann überwältigt wurde. Nach der Tat tauchte der Täter unter und blieb für Jahre unauffindbar. Trotz eines bestehenden Ausweisungsbescheids und der Ablehnung seines Asylantrags war er nicht ausgereist. Die Behörden suchten ihn vergeblich.

Erst im Jahr 2023, fünf Jahre nach der Tat, gelang es der Polizei, den Mann festzunehmen. Zu diesem Zeitpunkt lag bereits seit 2018 eine Ausweisungsverfügung gegen ihn vor, die aufgrund seines abgelehnten Asylantrags und seiner Straftat erlassen worden war.

Doch die Umstände, die folgten, waren genauso schockierend wie die Tat selbst: Zwei Versuche, den Mann vor Gericht zu bringen, scheiterten, da das Opfer nicht erschien, und im September 2023 drohte die Freilassung des Täters.

Freilassung wegen Platzmangel in Abschiebehaft

Der Fall erlangte zusätzliche Brisanz, als die Untersuchungshaft des Mannes im September 2023 nach sechs Monaten endete und eine weitere Inhaftierung rechtlich nicht mehr zulässig war.

Die Richterin reagierte in letzter Minute und verhängte einen Abschiebehaftbefehl – ein Versuch, die Freilassung des Angeklagten zu verhindern. Doch dieser Haftbefehl wurde letztendlich wirkungslos: Die zuständigen Behörden konnten keinen freien Platz in einer Abschiebehafteinrichtung finden.

Am selben Tag, an dem der Haftbefehl vollstreckt wurde, wurde der Mann freigelassen. Eine beispiellose Entscheidung, die nicht nur die Stadt Mülheim, sondern auch die gesamte nordrhein-westfälische Landesregierung in Erklärungsnot bringt. Der Freigelassene bleibt weiterhin ausreisepflichtig, doch sein aktueller Aufenthaltsort ist unbekannt.

Stille der Behörden und wachsende Kritik

Die Stadt Mülheim verweigerte eine detaillierte Stellungnahme und verwies auf die zuständigen Behörden in Mecklenburg-Vorpommern, wo sich angeblich ebenfalls kein Haftplatz finden ließ. Doch diese Aussage wurde umgehend widerlegt: Die Rostocker Behörden erklärten, es habe zu keinem Zeitpunkt einen Mangel an Abschiebehaftplätzen in Mecklenburg-Vorpommern gegeben. Die genauen Gründe für die Freilassung des Mannes bleiben damit unklar.

Diese Unstimmigkeiten führten zu einer Welle der Empörung im nordrhein-westfälischen Landtag. Vier Abgeordnete, darunter der SPD-Politiker Rodion Bakum, stellten eine dringende Anfrage an die Landesregierung.

Im Mittelpunkt stehen Fragen, die auch der Öffentlichkeit auf den Nägeln brennen: Warum gab es keinen Haftplatz, obwohl ein gültiger Abschiebebefehl vorlag? Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um die Inhaftierung zu gewährleisten, und wie sah die Belegung der Haftanstalten in Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern tatsächlich aus?

Bislang bleiben die Antworten aus. Weder die Stadt Mülheim noch die beteiligten Ausländerbehörden möchten sich zu den Hintergründen äußern. Die Informationspolitik der Behörden verstärkt den öffentlichen Unmut und lässt Raum für Spekulationen, ob es sich um ein systemisches Problem oder ein Einzelfall handelt.

Versagen des Systems oder Einzelfall?

Der Fall wirft grundsätzliche Fragen zum deutschen Abschiebesystem auf. Die Freilassung eines verurteilten Straftäters, der bereits seit Jahren hätte abgeschoben werden sollen, offenbart erhebliche Lücken im behördlichen Ablauf. Besonders in Zeiten, in denen die Debatte um Abschiebungen und die Handhabung von abgelehnten Asylbewerbern politisch aufgeladen ist, gerät dieser Fall in den Fokus der öffentlichen Diskussion.

Abschiebehaft dient in Deutschland dazu, die zwangsweise Ausreise von abgelehnten Asylbewerbern sicherzustellen. Doch der Fall des Ghanaers zeigt, dass das System offenbar an seine Grenzen stößt, wenn es um die Unterbringung dieser Personen geht. Der Mangel an Abschiebehaftplätzen ist kein neues Problem, wird jedoch selten so drastisch sichtbar wie in diesem Fall. Auch die Koordination zwischen den Bundesländern scheint in diesem Fall versagt zu haben.

Politische Folgen und Ausblick

Der Fall wird voraussichtlich noch weitreichende politische Folgen haben. Die Forderungen nach einer umfassenden Reform des Abschiebesystems und nach einer besseren Zusammenarbeit zwischen den Bundesländern werden lauter. Vor allem jedoch steht die Frage im Raum, wie ein solcher Vorfall in Zukunft verhindert werden kann.

Im Landtag von Nordrhein-Westfalen wird das Thema weiter für hitzige Debatten sorgen. Die Opposition kritisiert die Landesregierung scharf und fordert eine lückenlose Aufklärung des Vorfalls. Ob die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden, bleibt abzuwarten.

Der Fall des freigelassenen Vergewaltigers aus Ghana zeigt jedoch schon jetzt, dass es im deutschen Abschiebesystem gravierende Schwächen gibt. Die Frage, wie es so weit kommen konnte, bleibt vorerst unbeantwortet.