AbbVie steckt in der Krise: Das US-Pharmaunternehmen gab bekannt, dass sein Schizophrenie-Medikament Emraclidin in einer entscheidenden Phase-2-Studie die Erwartungen nicht erfüllen konnte.
Die Studie, die 752 Patienten einschloss, ergab nach sechs Wochen keinen signifikanten Rückgang der Schizophrenie-Symptome im Vergleich zu Placebo. Die Folge: Ein dramatischer Absturz der AbbVie-Aktien um über 12 Prozent und ein Verlust von rund 40 Milliarden Dollar an Marktwert.
Milliarden-Übernahme von Cerevel unter Beschuss
Für AbbVie ist das Scheitern von Emraclidin ein herber Rückschlag, denn das Medikament war das wichtigste Produkt aus der Übernahme von Cerevel Therapeutics im letzten Jahr.
AbbVie hatte für diese Akquisition stolze 8,7 Milliarden Dollar bezahlt, um eine starke Position im Psychiatrie-Sektor zu erlangen und sich gegen Konkurrenten wie Bristol Myers Squibb zu behaupten, die in diesem Bereich erfolgreich aufgestellt sind. Doch nach dem Studienrückschlag stellt sich die Frage: War der milliardenschwere Kauf ein teurer Fehler?
BMS und die Konkurrenz profitieren
Während AbbVie mit den enttäuschenden Ergebnissen zu kämpfen hat, verzeichnete Konkurrent Bristol Myers Squibb (BMS) Kursgewinne. Die Investoren sind optimistisch, dass das kürzlich zugelassene BMS-Medikament Cobenfy durch das Scheitern von Emraclidin zusätzlichen Aufwind bekommen könnte. Die Marktkapitalisierung von BMS stieg prompt auf 122 Milliarden Dollar.
Analysten sehen dies als einen weiteren Beleg dafür, wie schwierig es ist, im Bereich der Psychiatrie neue, wirksame Behandlungen zu entwickeln – und wie riskant es für Unternehmen ist, Milliardeninvestitionen auf Erfolg zu setzen.
Der schwierige Weg der Schizophrenie-Therapie
Schätzungsweise 2,8 Millionen Menschen in den USA leben mit Schizophrenie, einer schwerwiegenden psychiatrischen Erkrankung. Die Komplexität des Gehirns und die begrenzten Vorhersagemöglichkeiten von Tiermodellen erschweren die Entwicklung neuer, wirksamer Medikamente für diese Patientengruppe.
Für AbbVie sollte Emraclidin eine innovative Lösung sein, die auf muskarinische Rezeptoren abzielt, um die Schizophrenie-Symptome zu lindern. Die Konkurrenz von BMS hatte kürzlich mit einem ähnlichen Ansatz Erfolg, was Hoffnungen auf Emraclidin geweckt hatte. Doch der aktuelle Rückschlag unterstreicht erneut die Schwierigkeiten in der Psychiatrieforschung.
Analysten warnen vor langfristigen Konsequenzen für AbbVie
Die enttäuschenden Ergebnisse haben unmittelbare Auswirkungen auf die Unternehmensstrategie von AbbVie. Analysten wie Evan Seigerman von BMO Capital Markets sehen den Rückschlag kritisch und bezeichnen das Ergebnis als „schweres Ergebnis“ für das Unternehmen.
Ein weiterer Analyst, Vamil Divan von Guggenheim Securities, schätzt, dass AbbVie zwar bis 2029 durch Patentschutz abgesichert ist, jedoch nun zusätzlichen Druck spüren könnte, weitere Wachstumstreiber zu entwickeln. AbbVie könnte sich gezwungen sehen, die Pipeline strategisch neu auszurichten, um langfristig profitabel zu bleiben.
Wie geht es weiter? AbbVie bleibt optimistisch
Roopal Thakkar, Chief Scientific Officer von AbbVie, zeigte sich trotz des Rückschlags zuversichtlich. Man werde die Studienergebnisse genau analysieren und mögliche Schritte sorgfältig abwägen, so Thakkar.
Die innovative Pipeline, die AbbVie in den vergangenen Jahren aufgebaut hat, bleibt laut Unternehmensführung ein Grund zur Hoffnung, auch in der Behandlung psychiatrischer Erkrankungen weiter Fortschritte zu erzielen. Doch die Zukunft von Emraclidin ist nach dem jüngsten Rückschlag ungewiss, und es bleibt offen, ob AbbVie die enormen Investitionen in die Schizophrenie-Forschung rechtfertigen kann.