Ein Arbeitsvertrag unterschrieben, eine neue Perspektive in Sicht – doch dann kommt die Absage. Ein Fall aus dem schwäbischen Weingarten sorgt für Aufsehen: Zwei kurdische Asylbewerber sollten als Versandhelfer in einer Druckerei anfangen, doch die Bundesagentur für Arbeit (BA) stoppte die Einstellung.
Der Grund: Der angebotene Lohn lag unter dem "ortsüblichen Durchschnittslohn" – obwohl er über dem gesetzlichen Mindestlohn lag und die Druckerei reguläre Helfer nicht besser bezahlt. Die Folge: Kündigung vor dem ersten Arbeitstag und weiter Sozialleistungen. Ein Einzelfall? Keineswegs.
9000-mal verhindert: Arbeitsverbot wegen „fehlender Lohnbindung“
Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zeigen das ganze Ausmaß des Problems: 9088-mal wurde 2024 Asylbewerbern die Arbeitserlaubnis aufgrund „fehlender Lohnbindung“ verweigert. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 18.239 Anträge abgelehnt.
Dabei waren nicht immer fehlende Dokumente oder unzureichende Qualifikationen der Grund – oft war es allein die Berechnung eines Durchschnittslohns, der nicht den realen Gegebenheiten eines Betriebs entsprach.
Die gesetzlichen Vorgaben sehen vor, dass Asylbewerber und Geduldete nicht zu schlechteren Bedingungen arbeiten dürfen als deutsche Arbeitnehmer.
Was eigentlich als Schutz gedacht war, wird zum bürokratischen Hemmschuh: Die Vergütung orientiert sich nicht an den tatsächlichen Gehältern im Betrieb, sondern an statistischen Durchschnittswerten der Branche – was besonders für kleinere Unternehmen zu unüberwindbaren Hürden führt.
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„Bürokratie schlägt Realität“ – Unternehmer frustriert
Für viele Unternehmen ist diese Praxis unverständlich. „Wir wollten einfach zwei zusätzliche Helfer einstellen, nicht mehr und nicht weniger. Doch wir hätten sie besser bezahlen müssen als die langjährigen Kollegen – das zerstört den Betriebsfrieden“, berichtet der Geschäftsführer der betroffenen Druckerei in Weingarten.
Dieses Problem betrifft vor allem Niedriglohnbranchen wie Gastronomie, Logistik und Produktion, wo der Mindestlohn das Gehaltsgefüge oft dominiert. „Wir finden ohnehin kaum noch Personal, und dann werden uns die wenigen, die arbeiten wollen, verwehrt“, klagt ein Hotelbesitzer aus Bayern, dem kürzlich die Einstellung eines Asylbewerbers untersagt wurde.
Rechtliche Vorgaben stammen aus einer anderen Zeit
Das Gesetz, das diese Hürden verursacht, wurde 2005 verabschiedet – zu einer Zeit, in der Deutschland mit Massenarbeitslosigkeit kämpfte und noch keinen gesetzlichen Mindestlohn kannte.
Die Regelungen sollten verhindern, dass Asylbewerber zu Dumpinglöhnen arbeiten und dabei reguläre Jobs verdrängen. Doch die Realität hat sich längst geändert: Viele Branchen suchen händeringend nach Arbeitskräften, und der Mindestlohn sorgt für eine untere Lohngrenze.
Noch immer existiert zudem die „Vorrangprüfung“, wonach erst geprüft werden muss, ob nicht ein Deutscher oder EU-Bürger die Stelle bekommen könnte. Auch wenn diese Vorschrift inzwischen oft umgangen wird, verzögert sie den Prozess weiter.
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Asylbewerber: Zwischen Hoffnung und Perspektivlosigkeit
Für die beiden kurdischen Brüder aus Weingarten bedeutet das Warten auf eine neue Chance. Ihr Asylverfahren läuft seit anderthalb Jahren, ein Abschluss ist nicht in Sicht. Dabei wollen sie nichts weiter als arbeiten – doch das System macht es ihnen schwer.
„Es ist frustrierend. Wir wollen uns selbst versorgen, aber das wird uns nicht erlaubt“, sagt einer der Brüder.
Lösungen gefordert – doch die Politik zögert
Wirtschaftsverbände fordern eine Reform der Arbeitsmarktprüfung für Asylbewerber.
„Die Regeln stammen aus einer Zeit, die mit der heutigen Arbeitsmarktlage nichts mehr zu tun hat. Wir brauchen pragmatische Lösungen statt realitätsferner Durchschnittsberechnungen“, so ein Sprecher der Industrie- und Handelskammer.
Die Ampel-Regierung hatte bereits 2023 versprochen, die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt zu erleichtern – bislang ohne konkrete Ergebnisse. Währenddessen warten Tausende auf eine Arbeitserlaubnis, Unternehmen auf Mitarbeiter – und die Bürokratie dreht sich weiter im Kreis.