29. April, 2025

KI

700 Millionen Dollar für eine Stimme

Amazon will mit seinem KI-Assistenten Rufus den Onlinehandel neu definieren. Noch verdient das Unternehmen damit nichts – aber die Prognosen sind euphorisch. Intern rechnet der Konzern mit mehr als 700 Millionen Dollar Gewinn durch die Einkaufs-KI. Wie passt das zusammen?

700 Millionen Dollar für eine Stimme
Rufus kostete Amazon im Jahr 2024 rund 285 Mio. Dollar – dennoch soll die KI bis 2027 über 1,2 Mrd. Dollar zum Gewinn beitragen. Der Sprung beruht mehr auf Planung als auf belastbarer Datenbasis.

Ein Assistent, der nichts kostet, aber Geld einspielt

Rufus ist gratis. Der Nutzer stellt Fragen über Produkte, Rufus antwortet. Er empfiehlt, vergleicht, beschreibt – und führt Nutzer durch Amazons Marktplatz. Einnahmen?

Keine. Und doch steht in einem internen Dokument, das Business Insider zugespielt wurde: 711 Millionen Dollar operativer Gewinn bis Jahresende. Möglich macht das eine hauseigene Kennziffer: der sogenannte "Downstream Impact".

Gewinn, der keiner ist

DSI misst, wie stark ein Tool wie Rufus indirekt den Gesamtumsatz ankurbelt. Bestellt ein Kunde nach einer Rufus-Empfehlung eine Powerbank, wird dieser Kauf der KI zugerechnet.

Der Haken: Wie viel Einfluss Rufus wirklich hatte, bleibt offen. Das Instrument ist intern umstritten. Selbst Mitarbeiter sprechen von "Mathematik mit großzügigen Annahmen".

Ein Jahr Verlust, dann Milliardenbeitrag

Noch 2024 schrieb Rufus operativ 285 Millionen Dollar Verlust. Bis 2027 soll die KI laut interner Planung über 1,2 Milliarden Dollar einspielen.

Die Zahlen wirken steil. Amazon will dafür massiv aufrüsten: Der KI-Kern von Rufus, das sogenannte Shopping-LLM, soll verfünffacht werden. Mehr Rechenleistung, präzisere Antworten, höhere Umsätze – so der Plan.

Amazon will Rufus künftig in der Lage versetzen, Einkäufe für den Kunden direkt abzuschließen. Kritiker sehen darin das Ende des neutralen Shopping-Assistenten – und den Beginn automatisierter Verkaufssteuerung.

Ausbau in 13 neue Länder geplant

Aktuell ist Rufus in den USA, Großbritannien, Indien und einigen EU-Ländern aktiv. Noch dieses Jahr sollen 13 weitere Marktplätze folgen. Die Zahl der rufus-kompatiblen Produkte auf Amazon wird sich laut Planung von 164 auf 711 Milliarden Dollar Warenwert mehr als vervierfachen.

Doch es ruckelt

Trotz der großen Ambitionen bleibt das Nutzererlebnis durchwachsen. Viele Antworten sind vage, fehlerhaft oder veraltet. Wer Rufus fragt, wie sich ein bestimmter Kopfhörer im Vergleich schlägt, bekommt mitunter Werbetexte statt echte Unterschiede. Auch die automatische Einblendung bei Suchbegriffen wie "was ist" oder "wie funktioniert" läuft nicht immer sauber.

Werbung als Antwort

Amazon testet bereits Anzeigen innerhalb von Rufus-Antworten. Für Nutzer kaum erkennbar. Ausgerechnet die scheinbar neutrale KI wird damit zur Werbefläche. Kritiker warnen vor Intransparenz.

Wenn Empfehlungen nicht als solche gekennzeichnet sind, verschwimmt die Grenze zwischen Hilfe und Verkaufsdruck.

Amazon glaubt trotzdem an das Projekt

Retail-Chef Doug Herrington lobt Rufus intern als "entscheidenden Schritt zu mehr Personalisierung". Tatsächlich ist der Assistent Teil eines größeren Plans: Amazon will KI in jedem Winkel der Plattform etablieren. Rufus ist der Testballon für eine Shoppingwelt, die per Sprache, Chat und Kontext funktioniert.

Der Wert bleibt spekulativ

Rufus mag Kunden helfen. Aber wie viel er wirklich wert ist, bleibt fraglich. Die DSI-Zahl ist kein Umsatz, keine Marge, kein Gewinn. Es ist eine Schätzung. Die 700 Millionen Dollar sind nicht weniger vage als viele Rufus-Antworten selbst. Vielleicht auch deshalb schweigt Amazon offiziell zum Thema.

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