3.018 DAX-Varianten – wer braucht das eigentlich?
Über 3.000 DAX-Varianten zählt ISS Stoxx mittlerweile – doch für die neu eingeführten Composite-Indizes fehlt bislang jede ETF-Nachfrage.

Börse

3.018 DAX-Varianten – wer braucht das eigentlich?

ISS Stoxx baut die DAX-Familie weiter aus und bringt drei neue Composite-Indizes auf den Markt. Doch ETF-Anbieter winken ab – und die Frage bleibt: Wo hört nützliche Marktsegmentierung auf, und wo beginnt die Reizüberflutung?

Ein Index, sie alle zu verwirren?

Mit dem DAX All Cap, dem DAX Large Mid Cap und dem DAX Mid Small Cap erweitert ISS Stoxx die deutsche Indexlandschaft um drei neue Bausteine – und schließt damit laut eigener Aussage eine „Lücke“.

Doch welche genau, bleibt offen. Denn mit dem FTSE Germany All Cap, dem F.A.Z.-Index und dem MSCI Germany gibt es längst etablierte Alternativen, die breiter, klarer oder investierbar sind – teils seit Jahrzehnten.

Die Zahl ist ohnehin bezeichnend: 3.018 Indizes zählt allein die DAX-Familie mittlerweile. Dazu gehören ESG-, Capped-, ex- und Short-Varianten, All-Caps, Composites und thematische Ableger. Eine Struktur mit System – oder ein System ohne Struktur?

ETF-Anbieter bleiben kühl

Wer neue Indizes auflegt, hofft auf ein ökonomisches Echo: Trackerfonds, ETFs, Gebühren. Doch ausgerechnet die großen Anbieter zeigen sich zurückhaltend. Deka sagt offen „Nein“, DWS prüft „noch“, BlackRock äußert sich wie gewohnt nicht, und Amundi setzt lieber weiter auf den bewährten F.A.Z.-Index.

Die Botschaft ist klar: Es fehlt der Investorenbedarf. Kein Wunder – der Vanguard Germany All Cap ETF auf den FTSE-Index ist längst im Markt etabliert und verwaltet über 220 Millionen Euro. Warum sollte man auf ein Produkt setzen, das noch niemand nachgefragt hat?

Ein Index ohne Produkt bleibt Theorie

ISS Stoxx argumentiert, man arbeite strategisch an einer „breiteren internationalen Vermarktung“ – auch ohne konkrete Nachfrage. Dass viele Indizes intern „nur als Parent-Index“ oder Referenz dienen, ist dabei kein Widerspruch. Doch der wirtschaftliche Nutzen bleibt überschaubar, wenn keine Produkte folgen.

Hinzu kommt: Die Berechnung von Composites ist technisch günstig. Das macht es leicht, neue Varianten zu entwickeln. Aber Masse ersetzt nicht automatisch Klasse.

Mehrzahl von DAX? Inflationsrate.

Die neue Vielfalt erinnert an einen alten Bekannten: den DAX 100, der in den 1990ern die 100 liquidesten deutschen Werte abbildete. Er wurde 2003 eingestellt – wegen Überlappungen und mangelnder Klarheit. Heute scheint man auf Umwegen dorthin zurückzukehren.

Doch der Unterschied liegt in der Ausgangslage: Damals ging es um Übersicht. Heute droht das Gegenteil. Der DAX-All-Cap umfasst 160 Titel – aber ohne echten Mehrwert gegenüber FTSE oder MSCI. Der Markt ist längst segmentiert. Eine weitere Aufteilung wirkt eher wie Marketing mit historischem Anstrich.

Weniger ist mehr – gerade bei Indizes

Die Stärke eines Index liegt in seiner Wiedererkennbarkeit, Einfachheit und Relevanz. Wer aus einem bekannten Standard ein Labyrinth aus Unterindizes, Nebenindizes und Klammerbegriffen macht, gefährdet Vertrauen.

Stoxx kontert, man sehe keine Verwässerung – schließlich hänge am DAX ein „Ökosystem“. Genau darin liegt die Gefahr. Wenn jeder neue Index einen weiteren Ableger gebiert, wird aus einem verlässlichen Kompass ein Zettelkasten.

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