„Es fehlt exakt die Summe von 26 Milliarden Euro.“
Mit dieser Aussage sorgte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im RTL-Interview am Mittwochabend für Aufsehen.
Die Aussage diente dem Kanzler als Erklärung, warum er eine erneute Aussetzung der Schuldenbremse für notwendig hält – und als Begründung für die Ablehnung zusätzlicher Militärhilfen für die Ukraine, sofern diese nicht durch neue Kredite finanziert würden.
Doch hinter der imposanten Zahl verbergen sich Widersprüche und politische Taktik.
26 Milliarden Euro: Eine Zahl mit vielen Unbekannten
Die Scholz-Behauptung einer 26-Milliarden-Euro-Lücke im Haushalt für 2025 überraschte selbst das SPD-geführte Finanzministerium. Erst Stunden später konnte die Sprecherin des Hauses die Zahl aufschlüsseln.
Demnach resultieren rund 13,5 Milliarden Euro aus geringeren Steuereinnahmen, weitere Milliarden aus konjunkturell bedingten Mehrausgaben – etwa für das Bürgergeld, Ökostromsubventionen und Integrationskurse.
Doch diese Aufstellung ist nicht die ganze Wahrheit. Finanzminister Jörg Kukies ließ in einem Interview durchblicken, dass Rücklagen von zehn Milliarden Euro aus 2024 in den neuen Haushalt eingebracht werden könnten.
Zusätzlich erlauben die trüben Konjunkturaussichten eine höhere Kreditaufnahme, als im ursprünglichen Entwurf vorgesehen. Diese Faktoren drücken die tatsächliche Lücke auf rund 11 bis 13 Milliarden Euro – weit entfernt von den 26 Milliarden Euro, die Scholz im Fernsehen präsentierte.
Wahlkampf oder Wahrheit?
Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Kritiker werfen Scholz vor, die hohe Zahl bewusst gewählt zu haben, um politisches Kapital daraus zu schlagen.
„Dass der Kanzler so etwas behauptet, hat viel mit dem Wahlkampf und wenig mit der Realität zu tun“, erklärte Sven-Christian Kindler, haushaltspolitischer Sprecher der Grünen.
Auch Otto Fricke von der FDP hält Scholz einen selektiven Umgang mit den Zahlen vor.
Für die FDP und andere Kritiker steht fest: Es geht Scholz weniger um die Ukraine-Hilfe als um die erneute Aussetzung der Schuldenbremse.
FDP-Generalsekretär Marco Buschmann fasste es scharf zusammen: „#Scholz ging es nie um die Ukraine. Es ging ihm immer nur um die Aussetzung der #Schuldenbremse.“
Ukraine-Hilfe als Spielball
Die drei Milliarden Euro, die Scholz als Militärhilfe für die Ukraine ausschließt, wirken angesichts der Größenordnung des Haushalts eher bescheiden. Für die FDP und die Grünen sei die Summe problemlos aus bestehenden Mitteln finanzierbar, ohne andere Bereiche zu kürzen. „Solche Zusatzausgaben summieren sich jedes Jahr auf zweistellige Milliardenbeträge“, so Fricke.
Lesen Sie auch:
Doch für Scholz scheint die Ukraine-Frage ein Mittel, um die Schuldenbremse politisch infrage zu stellen. Für die FDP eine klare Grenzüberschreitung: „Dabei dann am Ende die Menschen in der Ukraine im Stich zu lassen, das ist unsittlich“, so Fricke weiter.
Union warnt vor Ampel-Chaos
Die Union schaut dem Haushaltsstreit mit gemischten Gefühlen zu. Christian Haase, haushaltspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, warnte vor einem „Ampel-Haushaltschaos“, das nach der Bundestagswahl auf die nächste Regierung übergehen könnte.
Die uneinheitlichen Aussagen zwischen Kanzleramt und Finanzministerium zeigen, wie zerrüttet die Kommunikation innerhalb der Ampel-Koalition ist.
Ein Haushalt voller Fragezeichen
Der politische Schlagabtausch um die 26-Milliarden-Euro-Lücke lenkt vom Kernproblem ab: Der Bundeshaushalt bleibt trotz der aktuellen Schuldenbremse unterfinanziert.
Auch ohne Wahlkampfgetöse steht Deutschland vor der Herausforderung, die finanziellen Belastungen durch Konjunkturflauten, Energiekrisen und internationale Verpflichtungen zu bewältigen.