Der Traum war groß – zu groß
Northvolt wollte Europas Antwort auf die asiatischen Giganten sein. Eine eigene Zellproduktion, unabhängige Rohstoffversorgung, sauberes Recycling, industrielle Souveränität für eine grünere Zukunft.
15 Milliarden Dollar hatten Investoren wie Goldman Sachs, BlackRock und Volkswagen in das schwedische Batterie-Startup gesteckt. Jetzt ist das Geld weg – und die Firma insolvent.
Der Anspruch war, die komplette Wertschöpfungskette zu beherrschen: von der Förderung über das Recycling bis hin zur Zellproduktion. Ein Plan mit vielen Wenns und Abhängigkeiten. Und genau das wurde Northvolt zum Verhängnis.
„Sie wollten zu früh zu viel“, sagt ein beteiligter Investor, der anonym bleiben möchte. „Kommerzialisierung vor funktionierender Technik – das geht selten gut.“
Was genau schiefging
Northvolt versuchte, in einem einzigen Schritt von der Idee zur industriellen Großproduktion zu springen – und das außerhalb Asiens, wo Know-how und Erfahrung in Zellfertigung über Jahrzehnte gewachsen sind.
Das Werk am Polarkreis wurde zum Symbol des Scheiterns: Verzögerungen, technische Hürden, zu hohe Kosten, zu viel Abhängigkeit von chinesischer Ausrüstung.
Gleichzeitig stiegen die Schulden, während die Produktion nie in Gang kam. Die Folge: ein klassischer Fall von „Scale zu schnell, Cash zu knapp“. Eine Pleite mit Ansage.

Die Alternative: Schritt für Schritt statt alles auf einmal
Während Northvolt die Branche mit einem Donnerschlag verließ, geht ein anderer Akteur im Hintergrund still seinen Weg – und macht fast alles anders: Redwood Materials.
Gegründet von JB Straubel, einem der Mitgründer von Tesla, konzentriert sich das Unternehmen auf einen kleinen, aber entscheidenden Teil der Batterieproduktion: das Herzstück der Zelle, die sogenannten kathodenaktiven Materialien (CAM).
CAM macht laut Redwood rund 60 % des Batterie-Werts aus – und wird bislang kaum in den USA produziert. Genau da setzt das Unternehmen an.
Kein Wettlauf gegen die Kunden
Redwood stellt keine Batterien her. Und will es auch nicht. Statt in Konkurrenz zu Zellherstellern zu treten, versteht sich das Unternehmen als neutraler Zulieferer. Es recycelt alte Akkus und Produktionsabfälle, gewinnt Metalle wie Lithium und Nickel zurück und verkauft sie in raffinierter Form an Kunden wie Toyota oder Panasonic.
„Wir machen keine Zellen. Das war nie Teil des Plans“, sagt Vertriebschef Cal Lankton. „Wir wollen nicht mit unseren Kunden konkurrieren.“
Diese Strategie macht das Unternehmen unabhängig – und gleichzeitig attraktiv für viele Partner.

„Wir sind die Schweiz“
Redwood will das, was Northvolt nie sein wollte: die Schweiz der Branche. Neutral, berechenbar, langfristig. Kein eigener Gigafactory-Wahn, keine Industrialisierungs-Overdose, keine Risiken, die sich durch die gesamte Kette ziehen. Das Unternehmen verdient an mehreren Stellen entlang der Lieferkette – nicht nur am Ende.
Als klar wurde, dass die Produktion des eigenen CAM länger dauern würde, verkaufte Redwood einfach das Zwischenprodukt – um Liquidität zu schaffen und operative Stärke zu demonstrieren. Ergebnis: Umsatz statt Wartezeit.
„Ein Dollar heute ist für uns mehr wert als ein Dollar in drei Jahren“, sagt Lankton. „Wir wollen zeigen, dass wir liefern können.“
Keine Prinzipienreiterei
Auch das unterscheidet Redwood von Northvolt: Die Amerikaner sind flexibel. Als chinesische Produzenten Kupferfolien in Massen und zu Tiefstpreisen auf den Markt warfen, stoppte Redwood kurzerhand den eigenen Ausbau in diesem Bereich. Pragmatismus statt Ideologie.
Ein Mahnmal für Europa
Northvolts Pleite ist mehr als nur ein Einzelfall. Es ist eine Warnung für alle, die Industriepolitik mit Ideologie verwechseln. Wer alles gleichzeitig machen will – Rohstoffförderung, Recycling, Fertigung, Vertrieb – läuft Gefahr, an der Komplexität zu scheitern.
Redwood zeigt, wie es anders geht: Fokus auf den Engpass, keine Konkurrenz zu Partnern, schrittweises Wachstum, schnelle Reaktionen auf den Markt. Keine großen Ansagen – sondern funktionierende Prozesse.
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